Bis Ende 2024 galt die Regel, dass Bildungsleistungen als Dienstleistungen an dem Ort steuerbar sind, an dem sie tatsächlich erbracht werden – dem sogenannten Ort der Tätigkeit gemäss Art. 8 Abs. 2 Bst. c MWSTG. Diese Regelung war in einer Welt, in der Bildungsveranstaltungen stets einen physischen Durchführungsort hatten, leicht anzuwenden. Durch die zunehmende Digitalisierung wurde diese Ortsbestimmung jedoch komplexer. Wenn Teilnehmende nicht mehr vor Ort sein müssen, stellt sich zwangsläufig die Frage: Wo findet die Bildungsleistung tatsächlich statt?
Der Gesetzgeber hat auf diese Herausforderung reagiert und den Wortlaut von Art. 8 Abs. 2 Bst. c MWSTG präzisiert. Seit dem 1. Januar 2025 gilt die Ortsbestimmung nur noch für Dienstleistungen, "die unmittelbar gegenüber vor Ort physisch anwesenden Personen erbracht werden".
Diese Ergänzung schafft Klarheit: Nur wenn tatsächlich Personen physisch anwesend sind, ist der Ort der Tätigkeit massgebend. Bei rein virtuellen Angeboten oder wenn Teilnehmende online zugeschaltet sind, greift stattdessen das Empfängerortsprinzip nach Art. 8 Abs. 1 MWSTG.
Die praktischen Auswirkungen dieser Neuregelung lassen sich anhand verschiedener Szenarien verdeutlichen:
- Bei einem klassischen Präsenzunterricht, bei dem alle Teilnehmenden vor Ort sind, bleibt der Leistungsort am Tätigkeitsort nach Art. 8 Abs. 2 Bst. c MWSTG.
- Bei hybriden Formaten hingegen, bei denen Teilnehmende wählen können, ob sie physisch oder virtuell teilnehmen, hängt der Leistungsort von der individuellen Entscheidung ab. Nimmt eine Person physisch teil, gilt der Tätigkeitsort; wählt sie die Online-Teilnahme, ist ihr Empfängerort massgebend.
- Bleibt bei der Anmeldung offen, ob eine Teilnahme vor Ort oder online erfolgt, gilt grundsätzlich das Empfängerortsprinzip.
- Dasselbe gilt für Angebote, bei denen ausschliesslich eine virtuelle Teilnahme möglich ist.
Für Bildungsanbieter bedeutet diese Neuregelung, dass sie bei jeder Rechnungsstellung genau prüfen müssen, ob die Teilnehmenden physisch anwesend sind oder zumindest das Recht dazu haben. Ist dies nicht der Fall, befindet sich der Ort der Leistung am Sitz des Kunden.
- Bei Kunden mit Sitz in der Schweiz unterliegen diese Leistungen zwar der Schweizer MWST, sind jedoch von der Steuer ausgenommen.
- Bei ausländischen Kunden sollten sich Bildungsanbieter mit dem jeweiligen ausländischen Mehrwertsteuerrecht auseinandersetzen, da sie dort steuerpflichtig werden könnten.
Die Revision des MWSTG trägt somit der fortschreitenden Digitalisierung im Bildungsbereich Rechnung und schafft Rechtssicherheit in einem zunehmend virtuellen Umfeld.
Für Bildungsanbieter ist es nun entscheidend, ihre Prozesse entsprechend anzupassen und die Teilnahmeform ihrer Kunden sorgfältig zu dokumentieren, um eine korrekte mehrwertsteuerliche Behandlung sicherzustellen.