Plattformbesteuerung bei der MWST seit 2025

Jun 11 / Sandra Frauchiger
Mit der Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes ist per 1. Januar 2025 die sogenannte Plattformbesteuerung in Kraft getreten. 

Sie ist das Herzstück der Reform und betrifft alle Unternehmen, die Online-Plattformen für den Handel mit Waren nutzen oder betreiben. 

Die neuen Regeln bringen grundlegende Änderungen für die Zuordnung, Deklaration und Abrechnung der Mehrwertsteuer mit sich – und werfen für viele KMU und Plattformbetreiber neue Fragen auf.

Ziel und Hintergrund der Plattformbesteuerung

Die Plattformbesteuerung wurde eingeführt, um Wettbewerbsverzerrungen zu beseitigen und Steuerausfälle zu verhindern. Zuvor waren Plattformen meist als Vermittler tätig, die eigentliche Steuerpflicht lag beim Verkäufer – oft im Ausland. Die Behörden hatten Mühe, die Steuerpflicht durchzusetzen, da die Vielzahl der Verkäufer schwer greifbar war. 

Neu werden Plattformen, die den Vertragsabschluss zwischen Verkäufer und Käufer ermöglichen, für die MWST so behandelt, als ob sie selbst die Waren liefern würden. Damit wird die Steuerpflicht auf wenige, zentral agierende Plattformen konzentriert und die Durchsetzung vereinfachtg versus traditional classes.

Funktionsweise der Plattformbesteuerung

Die Plattformbesteuerung basiert auf einer rechtlichen Fiktion: Für die MWST gilt, dass beim Verkauf über eine elektronische Plattform zwei Lieferungen stattfinden:

  • Lieferung 1: Verkäufer an Plattform (grundsätzlich steuerbefreit, aber mit Option zur Versteuerung).
  • Lieferung 2: Plattform an Endkunde (steuerpflichtig, sofern keine Ausnahme greift).


Diese Fiktion gilt ausschliesslich für die Mehrwertsteuer und hat keine zivilrechtliche Wirkung, etwa bei Gewährleistungsfragen.

Voraussetzungen für die Anwendung

Die Plattformbesteuerung greift, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

  • Es handelt sich um eine elektronische Plattform, die online den direkten Vertragsabschluss zwischen mehreren Parteien ermöglicht.
  • Das vermittelte Grundgeschäft ist eine Lieferung im Sinne des MWSTG, also die Übertragung der Verfügungsmacht an einem Gegenstand.
  • Der Vertragsabschluss erfolgt auf der Plattform selbst. Werden wesentliche Vertragselemente ausserhalb der Plattform ausgehandelt, greift die Plattformbesteuerung nicht.


Nicht erfasst sind Dienstleistungen, Werkverträge, reine Anzeigenportale, Werbeleistungen oder reine Zahlungsabwickler. Auch wenn die Plattform im eigenen Namen verkauft, bleibt sie ausserhalb der Plattformbesteuerung und wird wie ein gewöhnlicher Händler behandelt.

Mehrwertsteuerliche Folgen

Für die Praxis ergeben sich daraus folgende Konsequenzen:

  1. Die Plattform muss die MWST auf dem Endverkaufspreis an den Kunden abführen und haftet für die korrekte Abrechnung.
  2. Verkäufer deklarieren nur noch den Nettoumsatz (Verkaufspreis abzüglich Plattformgebühr) als Umsatz.
  3. Für Saldosteuersatz-Abrechner ist die Plattformkommission nicht mehr steuerpflichtig, da sie nicht mehr als Dienstleistung gilt.
  4. Fixe Gebühren, die unabhängig vom Umsatz anfallen (z.B. Jahresgebühren), bleiben weiterhin steuerpflichtig.
  5. Umsatzabhängige Gebühren für Marketingtools oder Zahlungsabwicklung sind neu nicht mehr steuerbar.

Leistungsort und Versandhandelsregelung

Bei Lieferungen aus dem Ausland greift die Versandhandelsregelung: 
Erreicht ein Verkäufer mit Kleinsendungen (unter fünf Franken Einfuhrsteuer) einen Jahresumsatz von mindestens 100'000 Franken, gilt der Leistungsort als im Inland gelegen. 
Die Plattform muss sich dann in der Schweiz mehrwertsteuerlich registrieren und die Steuer abführen.

Ausnahmen und Spezialfälle

  • Keine Plattformbesteuerung bei Vermittlung von Werkverträgen oder Dienstleistungen (z.B. Ferienwohnungen, Handwerkerleistungen).
  • Keine Anwendung bei reinen Werbeplattformen, Anzeigenportalen oder Zahlungsdienstleistern.
  • Bei nachträglicher Vertragsänderung ausserhalb der Plattform entfällt die Plattformbesteuerung rückwirkend.

Stolpersteine in der Praxis

Die neuen Regeln bringen für KMU und Plattformbetreiber einige Herausforderungen:

  • Die korrekte Abgrenzung, wann eine Plattform als Lieferant gilt, ist nicht immer einfach. Der Aussenauftritt ist nicht mehr entscheidend, sondern allein die gesetzliche Fiktion.
  • Rechnungsstellung und Buchhaltung müssen an die neue Lieferkette angepasst werden, um Doppelbesteuerungen oder Nachforderungen zu vermeiden.
  • Die Plattform muss die Steuerpflicht für alle Verkäufe überwachen und haftet subsidiär für Fehler der Verkäufer.
  • Die neuen Meldepflichten und die Umstellung auf digitale Prozesse erhöhen den administrativen Aufwand, insbesondere bei internationalen Lieferketten und mehreren Steuersätzen.

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Typische Beispiele

1. Beispiel: Klassischer Online-Marktplatz für Waren

Eine Plattform wie „swissmarket.ch“ bringt verschiedene Schweizer und ausländische Händler mit Endkunden in der Schweiz zusammen. Kundin Müller bestellt über die Plattform einen Toaster bei einem Händler aus Deutschland. Der Kaufvertrag kommt direkt auf der Plattform zustande, und die Plattform wickelt auch die Zahlung ab.

Konsequenz:
Nach der neuen Plattformbesteuerung gilt die Plattform als Lieferantin. Mehrwertsteuerlich wird eine erste Lieferung vom Händler an die Plattform (steuerbefreit) und eine zweite Lieferung von der Plattform an Frau Müller (steuerpflichtig) fingiert. Die Plattform muss die MWST auf dem Endverkaufspreis abführen und haftet für die korrekte Steuerabrechnung.

2. Beispiel: Vermittlung von Dienstleistungen – keine Plattformbesteuerung 

Die Plattform „ferien-im-luftschloss.ch“ vermittelt Ferienwohnungen in der Schweiz. Die Verträge kommen zwar über die Plattform zustande, aber es handelt sich um die reine Vermietung von Unterkünften (Dienstleistung).

Konsequenz:
Hier greift die Plattformbesteuerung nicht, weil keine Lieferung im Sinne des MWSTG vorliegt. Die Plattform bleibt Vermittlerin und muss nur auf ihre Vermittlungsprovision MWST abrechnen, nicht aber auf den gesamten Mietumsatz.

3. Beispiel: Werkvertragliche Lieferung – keine Plattformbesteuerung 

Die Plattform „parkett-im.net.com“ vermittelt Handwerker, die Parkett liefern und verlegen. Die Angebote umfassen stets Material und Arbeit als Gesamtpaket (Werkvertrag).

Konsequenz:
Auch in diesem Fall findet die Plattformbesteuerung keine Anwendung, da es sich um eine werkvertragliche Lieferung handelt. Die Plattform bleibt Vermittlerin und versteuert nur ihre Provision.

4. Beispiel: Plattform tritt im eigenen Namen auf – keine Plattformbesteuerung 

Die Plattform „zmorge.ch“ bietet Frühstückskörbe an, die sie im eigenen Namen verkauft und ausliefert. Die Kunden schliessen den Vertrag mit der Plattform, nicht mit den einzelnen Produzenten.

Konsequenz:
Da die Plattform nicht nur vermittelt, sondern als Verkäuferin auftritt, greift die Plattformbesteuerung nicht. Die Plattform versteuert den gesamten Umsatz wie ein gewöhnlicher Händler.

5. Beispiel: Fixpreis für Plattformnutzung – keine Plattformbesteuerung

Die Plattform „elektronix.com“ bietet Händlern die Möglichkeit, Elektronikartikel für einen fixen Jahresbetrag von CHF 1'000 zu verkaufen, unabhängig vom erzielten Umsatz.

Konsequenz:
Für diese Nutzer kommt die Plattformbesteuerung nicht zur Anwendung, da das Entgelt nicht umsatzabhängig ist. Die Plattform versteuert die Nutzungsgebühr als Dienstleistung, nicht aber die vermittelten Warenlieferungen.

6. Beispiel: Plattform vermittelt, Vertragsabschluss ausserhalb der Plattform

Die Plattform „baustoffradar.ch“ ermöglicht es Bauunternehmen, Angebote für Baumaterialien einzuholen. Nach Auswahl eines Angebots nehmen Anbieter und Käufer direkt Kontakt auf, verhandeln Preis und Menge ausserhalb der Plattform und schliessen den Vertrag direkt ab.

Konsequenz:
Die Plattformbesteuerung greift nicht, weil der Vertragsabschluss nicht auf der Plattform erfolgt. Die Plattform bleibt Vermittlerin.

7. Beispiel: Privatperson verkauft über Plattform 

Herr Hofer verkauft als Privatperson gelegentlich gebrauchte Gegenstände über eine Online-Auktionsplattform. Er ist nicht als Unternehmer tätig.

Konsequenz:
Die Lieferung von Herrn Hofer an die Plattform ist nicht steuerbar, da er kein Steuersubjekt ist. Die Plattform muss jedoch die MWST auf den Verkauf an den Endkunden abführen, sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind.

8. Beispiel: Ausländischer Händler mit Kleinsendungen über Plattform

Ein Händler aus China verkauft Weihnachtsdekoration über „weihnachtsplunder.ch“ an Schweizer Endkunden. Die einzelnen Sendungen sind so klein, dass keine Einfuhrsteuer anfällt. Der Jahresumsatz übersteigt aber 100'000 Franken.

Konsequenz:
Wegen der Versandhandelsregelung gilt der Leistungsort als im Inland gelegen. Die Plattform muss die MWST auf den Verkaufspreis abführen und sich in der Schweiz registrieren.